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Frühlingsgefühle

Quergedanken im April 2016 von Andreas Pecht

 

Folgt man dem Volksmund, ist Frühling eine zwiespältige Sache. Danach schiebt sich zwischen Frühlingserwachen und Frühlingsgefühle ein Hemmschuh namens Frühjahrsmüdigkeit. Wen die befällt, der ist übel dran. Was nutzt Goethes Jubel über vom Eise befreite Bäche, wenn einer ermattet zu Bette liegt, statt bei Osterspaziergang, Tanz, Angrillen sich inmitten frisch reckender und saftender Natur zu verlustieren. Frank Wedekind schrieb 1891 das Schauspiel „Frühlings erwachen”. Darin wird vom Frühling des Erwachsenenlebens erzählt: jenem in der Pubertät losbrechenden Begierdenstrom aller Geschlechter, den Shakespeare schon 300 Jahre zuvor mit dem schillernden Wort „Love” bezeichnet hatte. Die Liebe ist eine Himmelsmacht. Sie entflammt den Leib, bewegt das Herz und schickt den Geist auf Urlaub; ganz doll im Lebensfrühling und noch immer doll genug in jeder jahreszyklischen Aufbruchsphase.  

Frühlingsgefühle

Wählen gehen? Diesmal unbedingt!

Quergedanken im März 2016 von Andreas Pecht

 

Es hat mal wieder gerummst zwischen Walter und mir. Banaler Anlass: rheinland-pfälzische Landespolitik. Konkret: Landtagswahl am 13. März. Wieder der Disput: wählen oder nicht wählen? Dass Walter auch diesmal an seiner Position – „ich mach‘ diesen Zirkus nicht mit” – festhalten wollte, brachte mich in Rage. Am Ende konnte ich ihn zwar breitschlagen, heuer mal eine Ausnahme zu machen. Aber leicht war das nicht. Denn der Kerl blieb nie aus Faulheit oder Desinteresse der Urne fern. Vielmehr gehört er zu jenem Teil der 30 plus X Prozent Nichtwähler, die das Wählen aufgegeben haben, gerade weil sie Politik besonders interessiert. Walter weiß über die kleinen wie großen polit-ökonomischen Zusammenhänge sicher besser Bescheid als mancher Parteifunktionär.

Wählen gehen? Diesmal unbedingt!

Ich wäre gern ein Gutmensch

Quergedanken im Februar 2016 von Andreas Pecht

 

Im Laufe einiger Jahrzehnte erleben widerspenstige Gesellen so manchen Versuch, sie mit Worten zu steinigen. In Jugendjahren etwa schimpfte mich der altdeutsche Mainstream „Faulenzer, Gammler, Kommunist”, empfahl mit sich überschlagender Wutstimme „geh doch rüber!”. Traditionsbewusste deutsche Deutsche wünschten einen bisweilen auch „ins Gas”. 1989 wurden dann die Begriffe „vaterlandsloser Geselle” und „Vaterlandsverräter” aus der Weimarer Mottenkiste geholt. Damit wurde nach allen geschmissen, die umstandslosen Anschluss und Verramschung des vormaligen DDR-Gebietes nicht für das Gelbe vom Ei hielten.

Ich wäre gern ein Gutmensch

Was ist eigentlich „deutsch”?

Quergedanken im Januar 2016 von Andreas Pecht

 

Wie es Ihnen/Euch 2015 ergangen  ist, weiß ich nicht. Mir jedenfalls war vor allem die zweite Hälfte zum Schwindlig-werden unbegreiflich. Es ist blöd, wenn das Land über Nacht in den Kriegszustand versetzt wird und unsere Wehr gegen den Feind zieht – just mit der gleichen Strategie, die neulich erst zum Gegenteil des Gewollten führte. Gibt es denn in Berlin niemanden vom Fach? Wenigstens ein, zwei gelernte Generäle*innen? Es entspräche doch auch nicht deutscher Manier, Gewehre zu bauen, die um die Ecke schießen oder beim Autoverkauf zu betrügen wie die Beutelschneider auf dem Schwarzmarkt von Dschabakir.

Was ist eigentlich „deutsch”?

Ich fotografiere, dann erst bin ich

Quergedanken im Dezember 2015 von Andreas Pecht

 

Als ich Bub war und mit Schwesterlein nebst Eltern missmutig Sehenswürdigkeiten heimsuchte, gab es eine Benimmregel: Wenn da einer mit dem Fotoapparat steht und Deutsches Eck, Heidelberger Schloss oder Zugspitze mit/ohne Verwandtschaft davor ablichten will, dann läuft man ihm nicht durchs Bild. Man wartet an der Seite, bis die Aufnahme gemacht ist. Neulich besuchte ich mit Gesponst den Rheinfall von Schaffhausen. Hätten wir uns dabei in diesem Sinne anständig verhalten, wir wären wohl erst nach Mitternacht auf der unteren Aussichtsplattform angelangt.

Ich fotografiere, dann erst bin ich

Heldinnen und Matschbirnen

Quergedanken im November 2015 von Andreas Pecht

 

ES treibt wieder sein Unwesen. Alle Jahre im Herbst der gleiche Zirkus. Statt in die Schule, ins Büro, an die Werkbank oder auf die Bühne zu gehen, bleiben Hunderttausende einfach im Bett. Sie liegen darnieder, hingestreckt von ES. Also werden Küchen zu Waffenschmieden gegen diesen Feind, der selbst zwar unsichtbar bleibt, dessen heimtückisches Wirken aber die Opfer umso ärger zeichnet. Auf den Herden blubbern Tees, dampfen Inhalations-Sud und Hühnersuppe literweise. Die Wohnungen miefen nach Eukalyptus und Pfefferminze; therapeutisches Rotlicht färbt Bürgerstuben puffig; Mülleimer quellen über von durchweichten Taschentüchern; die Arztpraxen sind proppevoll und in den Apotheken klingeln die Kassen.

Heldinnen und Matschbirnen

Kleider machen keine Leute

Quergedanken im Oktober 2015 von Andreas Pecht

 

Zugegeben, Mode ist nicht meine stärkste Seite. Von Frauenmode verstehe ich nur ein klein wenig, von Männermode gar nichts. Das mag manche/r für einen seltsamen Widerspruch halten, ist aber leicht zu erklären. Was die Damen angeht, kann ich zumindest erkennen, welche mir in welchem Outfit warum gefällt. Bei den Herren gelingt mir nicht mal das, weil ein vergleichbares Gefallen sich nie einstellen will – egal mit welchem Outfit sie sich mühen. Hinsichtlich der eigenen Mannsperson bleibt deshalb auch jeder Blick in den Spiegel vergeblich.

Kleider machen keine Leute

In der Hitze der Nacht

Quergedanken im September 2015 von Andreas Pecht

 

Wenn Sie das hier lesen, sind die Hitzewellen des 2015er Sommers womöglich schon ausgestanden. Ob der Herbst ein goldiger oder grauer wird, weiß niemand. Denn ehrwürdige Bauernregeln gelten nicht mehr. Zwar ist das Wetter für die nächsten paar Tage bisweilen etwas zuverlässiger vorhersagbar, ansonsten aber gänzlich unberechenbar, weil Jahrhunderte alte Wahrschheinlichkeits-Beobachtungen mitsamt Götterbeschwörungen im menschengemachten Klimadurcheinander halt nix nützen. So bleibt fürs allfällige Plaudern übers Wetter neben der verlässlichsten aller Wetter-Apps (Blick aus dem Fenster) nur das jüngst Erlebte.

In der Hitze der Nacht

Das Phänomen Büstenhalter

Quergedanken im August 2015 von Andreas Pecht

 

Darf ein Mann sich öffentlich über Frauenbekleidung auslassen? Gar über weibliche Unterwäsche? Klar doch, die Damenschaft macht's umgekehrt schließlich auch. Aufsätze von Kolleginnen und in aller Frauenwelt gepflegte Lästereien über Feinripp, Boxershorts oder Tennissocken füllen Bände. „Lass es trotzdem”, rät Walter, „du wirst dir nur die Finger und sonstwas verbrennen.” Pah, ich will aber! Draußen brüten 38 Grad Hitze, da fällt einem das Thema doch in den Schoß. „Schon verbrannt”, feixt der Freund mit Verweis auf den Hintersinn, den man/frau dem Wort Schoß unterstellen könnte. Ach Gott, dann fällt mir das Thema halt in die Hände oder zwischen die Beine. „Noch schlimmer!”

Das Phänomen Büstenhalter

2031

Quergedanken im Juli 2015 von Andreas Pecht

 

„Was ist das denn für eine Überschrift?”, brummt Freund Walter kopfschüttelnd. Das, mein Lieber, ist eine Jahreszahl. Und zwar eine, die sich ins kollektive Gedächtnis der Rhein-Völker und in die Geschichtsbücher einbrennen wird wie 0009, 1789, 1939, 1984, 1989 oder 2005. Walter grübelt: „1789 – Französische Revolution; 1939 – Ausbruch des 2. Weltkrieges; 1989 – Fall der Mauer. Aber was, zur Hölle, verbindet sich Weltbedeutendes mit den anderen drei Zahlen und mit 2031?”

2031

Nachts auf der Autobahn

Quergedanken im Juni 2015 von Andreas Pecht

 

Neulich, am späten Abend eines Werktages, via A3 auf Rückfahrt von Frankfurt ins Westerwald-Domizil. Sämtliche Parkplätze proppenvoll mit LKWs; Raststätten und Tankstellen von Brummis verstopft, die sich teils bis auf den Standstreifen zurückstauen. Suchverkehr allenthalben: Das Heer der Straßenkapitäne ringt verzweifelt um Schlafplätze; ihre Fahrzeiten sind abgelaufen. Unzählige Lastwagen drängen sich in den und um die Ruhezonen – dennoch donnern zugleich endlose Trecks hüben von Süd nach Nord, drüben von Nord nach Süd. Dazwischen irrlichternde Konvois mit überbreiten, überlangen, überschweren Lasten. Während ich mich am Transportmoloch vorbeischlängle, kommen Erinnerungen auf an oft entspannte, manchmal fast einsame Fahrten auf gleicher Strecke, am gleichen Wochentag, zur gleichen Spätabendzeit vor 25 Jahren. Plötzlich zuckt die Erkenntnis als kristallklare Emotion durch alle Sinne: Das ist Wachstum. Und es fühlt sich im Tohuwabohu der A3 nicht gut an.

Nachts auf der Autobahn

Selbstversuch mit Fatzebuck

Quergedanken im Mai 2015 von Andreas Pecht

 

„Verräter!” zischte Freund Walter böse, knallte die Tür zu und ward seither nicht mehr gesehen oder für mich zu sprechen. Ernstes Zerwürfnis? Schon irgendwie. Schließlich habe ich eine alte Übereinkunft gebrochen, die da lautete: Nie würden wir uns den Lockungen der „Sozialen Netzwerke” ergeben und uns in deren Krakenarme werfen. Dennoch habe ich an Ostern nach langem Ringen – widerwillig, aber neugierig – einen Selbstversuch mit Fatzebuck gestartet. Sprich: eine eigene Präsenz auf Facebook (fb) eröffnet. Walter scholt meine Gründe als „faule Ausreden dafür, dass du dich mit der Hure Mainstream ins Bett legst”.

Selbstversuch mit Fatzebuck

Neue Ideen für den Verkehr

Quergedanken im April 2015 von Andreas Pecht

 

Statistiker sagen, vor allem ältere Leute würden im Verkehr öfter falsch einfahren und vor allem jüngere Männer mit ihrem hohen Testosteron-Spiegel allzu flott abfahren. In beiden Fällen sind die übrigen Beteiligten gelackmeiert, weil ihnen die Verfahrensweisen alter wie junger Deppen den Verkehr verleiden. Wie von der digitalen Moderne nicht anders zu erwarten, schlägt sie zur Problemlösung den Einsatz neuer Technologien vor: etwa fest installierte, elektronisch gesteuerte Sperrmechanismen in den Zu-/Abgangs-Zonen sowie jedem Verkehrsteilnehmer serienmäßig implantierte automatische Tempobegrenzer.

Neue Ideen für den Verkehr

Die Kehrseite von Preußens Gloria

Quergedanken im März 2015 von Andreas Pecht

 

Walter summt munter den Marsch „Wir preußischen Husaren”. Dass ihm nicht der königstreue Originaltext auf der Zunge liegt, ist klar. Er grölt auch gleich jene Umdichtung, die seit 1800 von Soldaten oft gesungen wurde:

 

„O König von Preußen, / du großer Potentat, /
wie sind wir deines Dienstes / so überdrüssig satt! /
Was fangen wir nun an / in diesem Jammertal /
allwo ist nichts finden / als lauter Not und Qual... .”

Die Kehrseite von Preußens Gloria

Potzblitz! Zehn Jahre Querdenkerei

Quergedanken im Februar 2015 von Andreas Pecht

 

Hochgeschätzte Leserschaft: Wir haben etwas zu feiern. Dies ist die 120. Folge der „Quergedanken”, und da jeden Monat eine erscheint, wird die Kolumne jetzt erstaunliche 10 Jahre alt. Singet also „Happy Birthday” und seid froh, dass niemand etwas anderes denkt als „weitermachen” – und zwar „wie bisher”. Das ist ja keineswegs selbstverständlich in so kurzatmigen Zeiten. 10 Jahre: Derweil hat beim „Spiegel” drei mal die Chefredaktion gewechselt, hat die „Zeit” ebenso oft ihr Layout umgeschmissen, haben ganze Mediengruppen neue Besitzer gefunden, chice Magazine dutzendfach das Licht der Welt erblickt und wieder das Zeitliche gesegnet. Wir aber sind noch da! In äußerlich altbewährter Schlichtheit, seit 2005 stets frisch dem Prinzip folgend: Auf den Inhalt kommt es an. Woraus Sie den grundsätzlichen Unterschied ableiten können zum 2015 ebenfalls anstehenden zehnten Geburtstag der Kanzlerschaft Merkel.

Potzblitz! Zehn Jahre Querdenkerei

Einstürzende Neubauten

Quergedanken im Januar 2015 von Andreas Pecht

 

„Diese Überschrift geht nicht,” brummt Walter. „Die Leute denken sofort an die gleichnamige Musikgruppe, statt an den Wortsinn.” Och, das macht nix, lieber Freund, ich krieg die Kurve trotzdem. So nämlich: Es heißt, der Name „Einstürzende Neubauten” für die im Frühjahr 1980 gegründete Band von Blixa Bargeld sei inspiriert durch den Einsturz der Berliner Kongresshalle ebenfalls im Frühjahr 1980. Die Legende ist hübsch, aber falsch. Der Bandname existierte bevor das Hallendach des Westberliner „Leuchtturms der Freiheit” einbrach. Für den Crash hätte mancher damals gerne sowjetischen Tieffliegern die Schuld gegeben. Doch Baugutachter erkannten auf „Mängel in der Bauausführung” und „korrosionsbedingte Brüche” als Ursache für den Einsturz des schicken Gebäudes – das zu jenem Zeitpunkt gerade mal 22 Jahre alt war.

Einstürzende Neubauten

Rein ins Postwachstumsleben!

Quergedanken im Dezember 2014 von Andreas Pecht

 

In Lutz Seilers Roman „Kruso” hat mich folgender Satz regelrecht angefallen und nicht mehr losgelassen: „Ich möchte einen Platz auf der Welt, der mich aus allem heraushält.” Es war, als schalte er in der Trübnis meiner jüngsten Stimmungen das Licht dieser Erkenntnis an: Schnauze voll vom ekligen Weltengang – von Wachstumswahn und Wandlung des Menschen zur verblödeten Konsummaschine, von Auszehrung der Freiheit durch Finanzkapital und Bigdata... Erst recht die Schnauze voll von der Verarsche, dies sei „Fortschritt”. Ich möchte einen Platz auf der Welt, der mich aus allem heraushält.

Rein ins Postwachstumsleben!

Nieder mit den Call-Centern!

Quergedanken im November 2014 von Andreas Pecht

 

Kennt irgendwer irgendjemanden bei dem irgendeine Umstellung der Telekommunikations-Technik problemlos ablief? Vertragsänderung, Anbieterwechsel, Anschlussumstellung, Umstieg auf neue Hard-/Software oder Netztechnik...: Ich jedenfalls weiß von keinem, bei dem das so schnuckelig einfach und auf Anhieb funktioniert hätte wie von den Anbietern versprochen. Vielmehr könnte ich auf Basis der Erfahrungsschilderungen allein aus dem nahen Bekanntenkreis ein mehrbändiges Kompendium mit absurdesten aber wahren Geschichten füllen.

Nieder mit den Call-Centern!

Die Herrschaft der Gleichmacher

Quergedanken im Oktober 2014 von Andreas Pecht

 

Na, wie fällt eure Sommerbilanz aus? Freund Walter macht nach wetterstatistischem Rückblick auf die letzten Jahre diesen Vorschlag: „Sommerferien künftig splitten – einen Teil auf Mai/Juni verlegen, einen anderen in den September. Juli/August sind als neue Jahreszeit unter Kühlregenperiode zu verbuchen.” Nach zwei Wochen Pullover-Urlaub im August an der mecklenburgischen Ostseeküste kann ich das nur unterschreiben. Deshalb gilt meine Hochachtung jenen Ostseeliebhabern jeden Alters, die sich selbst durch zugige 15 Grad das Strandvergnügen nicht vermiesen ließen. In den Seebädern füllten Vermummte und Freihäutige in chaotischer Eintracht Strände und Promenaden. Klasse! Wann hat man schon Sommer- und Wintermode auf demselben Laufsteg? 

Die Herrschaft der Gleichmacher

Vom guten Essen

Quergedanken im September 2014 von Andreas Pecht

 

Über eines der wichtigsten Dinge des Lebens haben wir hier noch nie ausführlich gesprochen: das Essen. Die Post-Ferien-Tage scheinen passend, einmal dieser Kulturtechnik näher zu treten. Denn im von alltäglicher Hetz' befreiten Urlaub hat mancher Zeitgenosse hoffentlich bemerkt, dass Essen mehr sein kann als Magenfüllerei. Keine Bange, es liegt mir fern, nun auch noch das modische Loblied zu singen auf SlowFood, auf Erleuchtung durch eigene Kochfreuden, Beglückung durch besternte Spitzenkulinarik oder Zufriedenheit dank Rückgriff auf Omas Küche.

Vom guten Essen
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