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Rein ins Postwachstumsleben!

Quergedanken im Dezember 2014 von Andreas Pecht

 

In Lutz Seilers Roman „Kruso” hat mich folgender Satz regelrecht angefallen und nicht mehr losgelassen: „Ich möchte einen Platz auf der Welt, der mich aus allem heraushält.” Es war, als schalte er in der Trübnis meiner jüngsten Stimmungen das Licht dieser Erkenntnis an: Schnauze voll vom ekligen Weltengang – von Wachstumswahn und Wandlung des Menschen zur verblödeten Konsummaschine, von Auszehrung der Freiheit durch Finanzkapital und Bigdata... Erst recht die Schnauze voll von der Verarsche, dies sei „Fortschritt”. Ich möchte einen Platz auf der Welt, der mich aus allem heraushält.

Rein ins Postwachstumsleben!

Nieder mit den Call-Centern!

Quergedanken im November 2014 von Andreas Pecht

 

Kennt irgendwer irgendjemanden bei dem irgendeine Umstellung der Telekommunikations-Technik problemlos ablief? Vertragsänderung, Anbieterwechsel, Anschlussumstellung, Umstieg auf neue Hard-/Software oder Netztechnik...: Ich jedenfalls weiß von keinem, bei dem das so schnuckelig einfach und auf Anhieb funktioniert hätte wie von den Anbietern versprochen. Vielmehr könnte ich auf Basis der Erfahrungsschilderungen allein aus dem nahen Bekanntenkreis ein mehrbändiges Kompendium mit absurdesten aber wahren Geschichten füllen.

Nieder mit den Call-Centern!

Die Herrschaft der Gleichmacher

Quergedanken im Oktober 2014 von Andreas Pecht

 

Na, wie fällt eure Sommerbilanz aus? Freund Walter macht nach wetterstatistischem Rückblick auf die letzten Jahre diesen Vorschlag: „Sommerferien künftig splitten – einen Teil auf Mai/Juni verlegen, einen anderen in den September. Juli/August sind als neue Jahreszeit unter Kühlregenperiode zu verbuchen.” Nach zwei Wochen Pullover-Urlaub im August an der mecklenburgischen Ostseeküste kann ich das nur unterschreiben. Deshalb gilt meine Hochachtung jenen Ostseeliebhabern jeden Alters, die sich selbst durch zugige 15 Grad das Strandvergnügen nicht vermiesen ließen. In den Seebädern füllten Vermummte und Freihäutige in chaotischer Eintracht Strände und Promenaden. Klasse! Wann hat man schon Sommer- und Wintermode auf demselben Laufsteg? 

Die Herrschaft der Gleichmacher

Vom guten Essen

Quergedanken im September 2014 von Andreas Pecht

 

Über eines der wichtigsten Dinge des Lebens haben wir hier noch nie ausführlich gesprochen: das Essen. Die Post-Ferien-Tage scheinen passend, einmal dieser Kulturtechnik näher zu treten. Denn im von alltäglicher Hetz' befreiten Urlaub hat mancher Zeitgenosse hoffentlich bemerkt, dass Essen mehr sein kann als Magenfüllerei. Keine Bange, es liegt mir fern, nun auch noch das modische Loblied zu singen auf SlowFood, auf Erleuchtung durch eigene Kochfreuden, Beglückung durch besternte Spitzenkulinarik oder Zufriedenheit dank Rückgriff auf Omas Küche.

Vom guten Essen

Die Offline-Verschwörung

Quergedanken im August 2014 von Andreas Pecht

 

So. Das WM-Ding ist gelaufen. Herzlichen Glückwunsch nachträglich allen, die am Titelgewinn mitwirkten und teils noch immer im Freundenstatus „Wir sind Weltmeister” schwelgen. Ich gehöre nicht dazu, habe nämlich im Gegensatz zu Millionen Deutschen leider weder mitgekickt noch massiert. (Pech halt: Ehedem hatte es bei mir auch nicht zum Papst gereicht). Dafür viel geguckt, aber erst im Endspiel richtig guten Fußball gesehen. Mancher seither vom „hohen Niveau” der WM schwärmende Zeitgenosse hat wohl ein anderes Turnier erlebt. Für meines waren eher die Halbfinals typisch. Defensives Herumtaktieren bei der öden Partie Argentinien vs. Niederlande. Als mit der anderen Begegnung die deutsche Mannschaft endlich zu schönem Qualitätsfußball auflief, brach der brasilianische Gegner leider sogleich völlig zusammen. Statt Match von Weltklasse gab‘s Schützenfest: im Ergebnis fulminant, fußballerisch aber bald nicht mehr so arg interessant.

Die Offline-Verschwörung

Heureka! Der Ball ist rund

Quergedanken im Juli 2014 von Andreas Pecht

 

„Darf man Fußball auch hassen?” Mit dieser Schlagzeile ging mein Leib- und Seelenblatt „Die Zeit” in die erste WM-Woche. Hassen – das finde ich ein bisschen arg, verehrte Kollegen/innen. Auch wenn angesichts der derzeitigen Massenwelle schier narrischer Liebe zur Kickerei die Betrachtung des emotionalen Gegenteils publizistisch nahe liegt. Natürlich darf man im Kopf alles. Die Gedanken sind frei, hierzulande ist es sogar das Wort. Trotzdem sollte sich dieser Tage jeder gut überlegen, ob und wo er Abneigungen gegen Fußball offenbart. Bei TV-Interviews unter sich vor Großleinwänden in schwarz-rot-güldener Kostümierung vergnügenden Fans war bisweilen zu hören: Deutsche, denen die WM mitsamt Abschneiden der deutschen Mannschaft schnurzpiepegal ist, seien „bekloppt” oder – da wird’s nun doch etwas gruselig – „undeutsch”.

Heureka! Der Ball ist rund

Wir hier gut, ihr dort böse

Quergedanken im Juni 2014 von Andreas Pecht

 

ESC? Steht für die Computertaste zum Abbruch überflüssiger Operationen. Sinnigerweise bezeichnet das Kürzel auch einen kuriosen Sängerwettstreit, bei dem es – wie ich die Sache verstehe – um spaßhafte Wahl des besten unter den schlechtesten Songs Europas geht. Eigentlich sind mir derartige Nonsense-Unternehmungen eher peinlich. Ging mir schon in den 1980ern bei „Verstehen sie Spaß?” so: Immer sehnte ich den Moment herbei, da der nette Kurt Felix die Versuchskaninchen aus der Lächerlichkeitsfalle rettet.

Wir hier gut, ihr dort böse

Auto fahren oder Kissen verprügeln

Quergedanken im Mai 2014 von Andreas Pecht

 

Der Arzt sagt, ich soll mich nicht immer so aufregen. Das sei schlecht für die Gesundheit. Wenn mich aber der Zorn packe, müsse ich ihn gleich wieder ableiten. Wie? Indem ich mein Kopfkissen verprügle oder im Wald die Bäume anschreie. Der medizinische Rat will mir nicht recht einleuchten. Denn Bäume waren mir stets die besten Genossen und auch mit dem Kissen habe ich keinen Streit. Warum den Unmut auslassen an denen, die wehrlos sind und sowieso völlig unschuldig am Weltenquatsch?

Auto fahren oder Kissen verprügeln

Wir brauchen keine Millionen

Quergedanken im April 2014 von Andreas Pecht

 

Nach dem bayerischen Fußballkrösus müssen auch wir gestehen: Walter und ich sind  Glücksspieler, Zocker. Immerhin keine Abzocker. Wir haben niemanden geschädigt, erst recht den Staat nicht, sondern nur uns selbst. Drei Euro für jeden jede Woche, gesetzt in einer aussichtslosen Wette, aus 49 Zahlen 6 richtige zu erraten. Abzüglich einiger Kleingewinne hat uns das in 20 Jahren zusammen 5000 Euro gekostet – gezahlt an die staatliche Lottogesellschaft und damit wenigstens keinem Spekulanten in den Gierhals gestopft. Zum Trost verbuchen wir die verlorenen Einsätze als freiwilligen Steuerzuschlag zwecks Förderung des Allgemeinwohls.

Wir brauchen keine Millionen

Kommandeuse und Co. irren

Quergedanken im März 2014 von Andreas Pecht

 

Als ich 1976 zum Grundwehrdienst in die Koblenzer Gneisenau-Kaserne einrückte, war völlig klar: Ich würde nun 15 Monate lang, neben allerhand Unfug, das militärische Kämpfen lernen, aber mit 99,9-prozentiger Sicherheit nicht wirklich kämpfen müssen. Da stand das Grundgesetz vor, das die Aufgabe der Bundeswehr auf Landesverteidigung im Falle eines bewaffneten Angriffs von außen aufs Bundesgebiet festlegt. Als Schütze-Arsch Pecht den in Sachen Gehorsam eher unwilligen Bürger in Uniform gab, waren die Franzosen längst Gut-Freund, machten die Sowjets keine Anstalten mehr, den Kurfürstendamm zu überrollen. Weit und breit also keine Aussicht auf den Verteidigungsfall.

Kommandeuse und Co. irren

Hetero, homo, bi: total normal eben

Quergedanken im Februar 2014 von Andreas Pecht

 

Kennen Sie das auch? Plötzlich flutet eine mordsmäßige Aufregung durch die öffentlichen Kanäle, du aber kannst partout nicht begreifen, was die Leute derart in Rage versetzt. So jetzt wieder erlebt beim Outing von Thomas Hitzlsperger. Mehr noch beim Vorstoß der Landesregierung von Baden-Württemberg, die „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ als schulisches Bildungsziel festzuschreiben. Das Bekenntnis eines Ex-Nationalfußballers zu seiner Homosexualität wird bestaunt und gefeiert, als sei‘s das siebte Weltwunder. Zugleich löst die Stuttgarter Schulinitiative eine Kontroverse aus, die ich schon vor 20 Jahren abgeschlossen glaubte.

Hetero, homo, bi: total normal eben

2013 könnt ihr abhaken

Quergedanken im Januar 2014 von Andreas Pecht

 

Schlimme Hochwasser, katastrophischeTropenstürme und eine Weltklimakonferenz mit grandiosem Null-Ergebnis. Oder: Finanzkrise unter Einsatz von Abermilliarden Volksgroschen gerade nochmal überlebt, gleich rollen die Kugeln wieder im Casino nach gehabter Manier. Nehmt dies als Beispiele für eine Allgemeintendenz im abgelaufene 2013, und ihr wisst, warum es mir vor Jahresrückblicken graust: Sie sind meist furchtbar frustrierend. Eben deshalb besteht Freund Walter boshaft darauf, dass ich heuer mal einen schreibe – und verlangt hämisch auch noch „journalistische Ausgewogenheit“ zwischen schlechten und guten News. Nun denn.

2013 könnt ihr abhaken

Das geht gar nicht!

Quergedanken im Dezember 2013 von Andreas Pecht

 

Helle Aufregung am Wirtshaustisch als Freund Walter trocken in die Runde wirft: „Der NSA-Chef hat recht – das Ausspionieren von Regierungen gehört seit jeher zu den Grundaufgaben der Geheimdienste.“ Aber Ausspähen unter Freunden ginge doch gar nicht, wird ringsum Frau Merkel zugestimmt. Leute, was für ein naiver Quatsch ist das denn?! Spionage gibt es, seit es höher entwickelte Herrschaftsformen gibt. Seit mehr als 7000 Jahren also schnüffeln bezahlte Dunkelmänner und Mata Haris in Feindes- wie in Freundesland Politik, Militär, Wirtschaft aus. Stets galt dabei das Prinzip: legal, illegal, scheißegal. Seit wann hält sich James Bond an Dienstvorschriften, Bündnisverträge oder Menschenrechtscharta? Was machbar ist, wird einfach gemacht; der (selbstgesetzte) Zweck heiligt jedes Mittel.

Das geht gar nicht!

Total daneben

Quergedanken im November 2013 von Andreas Pecht

 

In aller Bescheidenheit halte ich mich für einen, der sein Hirn in der Regel halbwegs zu gebrauchen weiß. Gelegentliche Ausnahmen bestätigen dieselbe. Nun passieren aber Sachen, die ich ums Verrecken nicht begreife. Wie kann jemand auf die Idee kommen, „Tal total“ ohne für Autos gesperrte Rheinufer-Bundesstraßen abhalten zu wollen. Das wär' wie Münchner Oktoberfest ohne Bier, Rhein in Flammen ohne Feuerwerk oder Rosenmontagszug im Wald.

Total daneben

Wir im Bindestrich-Land

Quergedanken im Oktober 2013 von Andreas Pecht

 

Alle kauen am Wahlergebnis, da muss ich meinen Senf nicht auch noch dazutun. Deshalb was ganz anderes: Landeskunde. Rief neulich eine Saarbrücker Redaktion bei mir an: „Können Sie mal eben nach Kaiserslautern fahren und was recherchieren?“ Ach jeh, wie einem Saarländer beibringen, dass mir als Mittelrheiner die Nachbarregionen NRWs und Hessens vertrauter sind als der ferne Süden des eigenen Bundeslandes? Meine Antwort: „Ihr seid mit dem Fahrrad schneller durchs ganze Saarland gestrampelt als ich von Koblenz mit dem Auto je in Kaiserslautern sein könnte.“

Wir im Bindestrich-Land

Wir haben den Mehdorn-Blues

Quergedanken im September 2013 von Andreas Pecht

 

Der Titel des Musikstückes will mir gerade nicht einfallen. Aber jeder kennt das Motiv: Einsame, schwermütige Töne einer Slideguitar beugen sich melancholisch durch Moll-Intervalle. Vom Fernsehen wird diese Musik stets bemüht, wenn Bilder trostloser, gottverlassener, sterbender oder gestorbener Gefilde zu untermalen sind: vergessene Straßen irgendwo am Arsch der Welt; Geisterstädte des Wilden Westens; verblühte Industrielandschaften; bröckelnde Wohngebiete; barmende Wälder/Felder/Flüsse; schrundige Gesichter aus der Welt gefallener Menschen. Wann immer das Motiv erklingt, singt es schweigend: „Hier bewegt sich nichts mehr, hier ist weder Anfang noch Hoffen, nur Warten aufs Ende.“ Manchmal haucht es auch: „endlich Ruhe.“

Wir haben den Mehdorn-Blues

Fluffige Sommertage

Quergedanken im August 2013 von Andreas Pecht

 

Es gibt so Wörter, die gibt es offiziell gar nicht. Wenn viele Leute sie aber lange genug benutzen, gibt es sie plötzlich doch. „Fluffig“ ist so ein eigentümlich wunderbares Wort. In meinem jüngsten Duden (von 2006) steht es drin, im zerfledderten Vorgänger von 1996 fehlt es noch. Ich bin sehr glücklich, dass wir „fluffig“ haben, es auch schreiben dürfen, folglich mancherlei damit bezeichnen können, auch uns selbst so fühlen. Und was bedeutet es nun korrekterweise? Das ist das schönste an der Sache: Aufs i-Tüpfelchen genau weiß das wohl niemand. Spielt auch keine Rolle.

Fluffige Sommertage

Seilbahn-Torte mit Irrtümern

Quergedanken im Juli 2013 von Andreas Pecht

 

Potzblitz, da war vielleicht was gebacken neulich! Ein paar Tausend Mittelrheiner auf den Barrikaden. Prima, lobenswert. Wenngleich mir einige Umstände auch etwas seltsam vorkamen. In vorderster Front, schunkelnd und ein Karnevalslied schmetternd, die vereinigte Honoratiorenschaft. Vom Genossen Hofmann-Göttig tollkühn angeführt wie dereinst das Franzosenvolk von Marianne. Nur dass der Koblenzer OB die Jakobinermütze verschmähte und sich im Gegensatz zur Pariser Revolutionärin mit züchtig geschnürtem Leibchen in den Aufstand stürzte gegen – – – wen eigentlich?

Seilbahn-Torte mit Irrtümern

Zum 100. Mal das hier

Quergedanken im Juni 2013 von Andreas Pecht

 

Als neulich noch bittere Winterkälte herrschte, schnüffelte Freund Walter in meinem Archiv herum. Füsse am Ofen, auf dem Schoß das Laptop, spuckte er als Ergebnis seiner Recherchen aus: „Schon seit 2005 malträtierst du die Leute jeden Monat mit diesen Quergedanken-Dingern. Die Juni-Folge wird die 100. sein.“ Man hat ein Alter erreicht, da bergen solche Zählungen einen gewissen Schrecken: Verdammich, wie die Zeit verfliegt! Mir ist, als wäre ich eben erst vom festen Redakteursstuhl bei der Rhein-Zeitung aufgestanden, um mich ins freischaffende Journalistenleben zu stürzen. Tatsächlich liegt das schon gut acht Jahre zurück. Und der damals allererste Auftraggeber neben dem alten Stammblatt war das/die „Kulturinfo“.

Zum 100. Mal das hier

Europa, meine geplagte Heimat

Quergedanken im Mai 2013 von Andreas Pecht

 

Doch, ja: Ich bin für ein gemeinsames Europa. Unbedingt. Trotz allem. Und obwohl Brüssel mich ein ums andere Mal zur Weißglut treibt. Schon der 1957er Geburtsname macht einen irre. EWG, Europäische Wirtschaftsgemeinschaft: eine Vereinigung bloß des Mammons wegen. Ein scheinbar völlig bekloppter Bürokratenverein, der den Krümmungsgrad von Gurken vorschreibt, Milchseen und Fleischberge subventioniert, neuerdings vor allem Banken. Das hat so rein gar nichts mit dem zu tun, weshalb ich mich seit Jugendjahren als Europäer fühle. Als einer, der erst am Neckar zuhause war, dessen Zuhause dann der Mittelrhein geworden ist – der zugleich musikalisch, literarisch, bildnerisch, philosophisch, kulinarisch, erst recht bei den Getränken und in der Liebe tief im europäischen Humus der Vielfalt wurzelt.

Europa, meine geplagte Heimat
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