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Vom großen Glück eines kleinen Gartens

Quergedanken im Juni 2025 von Andreas Pecht

 

Andreas PechtAls ich Kind war (vor rund 60 Jahren), grummelte ich stets missmutig, wenn der alte Herr mal wieder verkündete: „Heute geht's in den Garten". Graben, hacken, rechen, säen, pflanzen, jäten, ernten: Das alles fand der Bub stinklangweilig und unnötig anstrengend. Denn schon damals konnte man in seinem Kindheitsstädtchen am Neckar beim Gemüsehändler Maier kaufen, was ein Haushalt an Grünzeug und Obst brauchte. Hielt er dem Papa diese feine Alternative zur schweißtreibenden Fron im eigenen Garten entgegen, erzählte der jedesmal was von „Geld sparen" und „Freude an der Gartenarbeit". Was dem Knaben partout nicht in den Kopf wollte.

 

Das blieb so auch die Jugendzeit hindurch erst in Heidelberg, dann Mannheim, dann Koblenz. Wild-renitenter Sturm-und-Drang in städtischem Umfeld bedurfte keiner erdverbundenen Gärtelei. Doch kaum hatte der Kerl 1980 jenes kleine, 1946 erbaute Häuschen im Westerwald bezogen, in dem er noch heute haust, brach sich ein seltsamer Drang Bahn: Er riss von einer ordentlichen Ecke des Grundstücks die Grasnarbe weg, ließ Spaten und Hacke tanzen – um fortan und bis heute zu tun, was fast alle Altdörfler seit jeher taten: eigenes Gemüse anbauen.


Freund Walter meint, ich wäre eben das bäuerliche Erbe meiner odenwälder Herkunft nie losgeworden. „Du brauchst das einfach, dieses Buddeln im Dreck, dieses Erleben und Verantworten von Wachsen und Gedeihen, dieses Ernten und Verzehren der Früchte eigener Hände Arbeit – allerhand Verdruss durch Witterung oder Ungeziefer sowie manch schmerzhaftem Muskelkater zum Trotz." Mag sein, aber damit bin ich ja nicht allein. Schließlich waren die Vorfahren der meisten Menschen Bauern. Über Jahrtausende stellten sie einen beträchtlichen Teil ihrer Lebensmittel selbst her, bis das Industriezeitalter sie von der Scholle zerrte und in Städte zwängte. Aber selbst dann noch wirkte und wirkt das Bauernerbe nach: Die Kultur der Schrebergärten und Hinterhausgärten war in proletarischen und kleinbürgerlichen Milieus weit verbreitet, sowohl der Not wie der Sehnsucht nach Naturverbundenheit geschuldet.


Gerade in unseren Tagen boomen solche „Ergänzungskulturen" oder „Freizeitkulturen" wieder. Im Umland der Städte ist die Nachfrage nach Gartenparzellen weithin viel größer als das Angebot. Das Erlebnis von selbst angebautem Gemüse mit ganzem Körpereinsatz unter freiem Himmel ist nunmal etwas völlig anderes als das sitzende Herumfingern an steril-digitalem Krempel. Freilich, nicht jede und jeden zieht es in der Freizeit zum privaten Ackerbau auf die Scholle. Manchen mangelt es an Möglichkeiten. Andere sind schon mit ein bisschen Grün zufrieden, durch das sie spazieren oder zwischen dem sie relaxen können. Wieder anderen ist das bäuerliche Erbe derart abhanden gekommen, dass sie selbst ihre winzigen Vorgärten mit Schottersteinen zuschütten.


Letzteres findet selbst Walter „abstrus", obwohl er auf seiner Pachtparzelle hoch über der Mosel von Gartenbau so gar nichts zu halten scheint: Ein paar Holzklötze zum Sitzen an einer Feuerstelle, ein behelfsmäßig zusammengezimmerter Unterstand für Schlechtwetter – drumherum nur Wildwuchs. Dort hocken wir bisweilen, plaudern oder blicken schweigend in die Landschaft, trinken unser Bier und halten Stockwürstchen übers Feuer. Manchmal aber sinniert er doch: „Vielleicht sollte ich die verknorzten Pflaumen- und Kirschbäume mal rekultivieren." Da bricht sein Schnapsbrenner-Erbe durch.



Der Autor im Internet: www.pecht.info

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